Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste

Warum nicht mal einen Film anschauen, so dachte ich mir, in dem die Protagonistin eine Autorin ist. Bücher mit den Biografien lese ich ja öfter. Meist wird ein gewisser Zeitraum aus dem Leben ausführlich beschrieben. Ich finde dies immer sehr interessant, denn so lerne ich viele bekannte Persönlichkeiten besser kennen.

In Frankfurt hatte ich dann die Möglichkeit, nicht nur zur Buchmesse zu gehen, sondern vorab den Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ zu sehen. Bevor ich allerdings ins Kino gehen und mir den Film ansehen konnte, wollte ich mich im Vorfeld etwas informieren und habe das Buch „Poesie der Liebe – Ingeborg Bachmann und Max Frisch“ gelesen. So kannte ich beide Personen schon etwas und war nun sehr gespannt. Neugierig machte mich dann zusätzlich noch der Trailer.

Weshalb dreht jemand einen Film über berühmte Persönlichkeiten? Ich möchte manches ja immer genauer wissen und hatte das Glück, dass die Regisseurin Margarethe von Trotta interviewt wurde. Sie sagt, dass sie Herausforderungen liebt. Davon gab es während der Drehzeiten einige. Das ausführliche und interessante Interview kann am Ende meines Berichtes gelesen werden.

Die vorherigen Zeilen habe ich geschrieben bevor ich mich nach Frankfurt auf den Weg machte. Eigentlich hatte ich ja nur den mehrtätigen Besuch der Buchmesse geplant, aber wenn mir schon mal die Gelegenheit geboten wird und ich vorab einen Kinofilm sehen darf, dann nutze ich das gerne.

Filmtitel: Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
Kinostart: 19. Oktober 2023
Von Margarethe von Trotta mit Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld
Der Film wurde zum Wettbewerb Berlinale 2023 eingereicht
Link zum interessanten Filmtrailer

Das Kino sieht auf meinem Bild noch sehr leer aus, was allerdings daran liegt, dass ich sehr zeitig meinen Platz eingenommen habe, hinterher waren wirklich alle Plätze besetzt.

Wir wurden vorab begrüßt von Sabine Rock von den BücherFrauen Frankfurt Rhein Main, die uns Ingeborg Bachmann vorgestellt und dabei etwas über ihre Rolle als Schriftstellerin in den 1960er Jahren berichtet hat.

Meine Meinung zum Film:
Es begann mit einem lauten schrillen Telefonklingeln, was Ingeborg geweckt hat. Uns konnte es ja nicht passieren, denn wir waren im Publikum alle gespannt und sehr aufmerksam. Diese Telefonszene sagte schon einiges aus, allerdings ist mir erst im Nachhinein manches klarer geworden, nachdem ich zusätzliche Informationen erhalten habe.
Gleich am Anfang bekam ich den Eindruck, dass mit Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld die passende Besetzung für Ingeborg Bachmann und Max Frisch gefunden wurde. Sehr gut hat mir ihre Kennenlern-Szene gefallen. Allerdings stellte sich für mich sehr schnell heraus, dass die beiden Schriftsteller zwar sehr erfolgreich waren, aber auch schwierige Charaktere hatten. Es ist ja nun mal so, dass wir alle wissen, dass die beiden nur einen relativ kurzen Zeitraum zusammen waren. Was mich so gar nicht verwunderte.
Die Regisseurin Margarethe von Trotta hat in dem Film nicht einfach die Geschichte der beiden chronologisch erzählt. Die Reise der Wüste sollte für Ingeborg Bachmann sehr wichtig werden und von dort gab es viele Rückblenden. Es war ein steter Wechsel der Orte und beteiligten Personen. Ich war froh, dass ich mich im Vorfeld etwas mehr informiert hatte und deshalb konnte ich allem wesentlich besser folgen. Außerdem hat mir die Regisseurin durch bestimmte Szenen vermittelt, mit welchen Problemen die Schriftstellerin fertig werden musste. Im Grunde war sie eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus war. Sie war alleinstehend und dadurch erfolgreich und viel unabhängiger, denn eine Ehe legte eine Frau durchaus Fesseln an, weil sie ohne Zustimmung ihres Ehemannes vieles nicht durfte. Max Frisch machte für mich den Eindruck eines Mannes, der nicht unbedingt mit solch einer Frau umgehen konnte.
Der Film hat mir sehr gut gefallen, denn die Regisseurin hat es bestens verstanden, mir beide Hauptpersonen näher zu bringen. Im Vordergrund stand natürlich Ingeborg Bachmann, aber ihr Leben wurde eine Zeitlang von Max Frisch beeinflusst.

Fazit:
Wer sich für diesen Film interessiert, sollte wirklich vorab einige Informationen einholen, was ja nicht schwer ist. Ich möchte gerne allen diesen Film empfehlen.

Als der Film beendet war, hatten wir noch die Möglichkeit, sehr viel Interessantes zu erfahren. Denn die Regisseurin Margarethe von Trotta war anwesend und mit ihr die Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main und Autorin Ina Hartwig. Sandra Kegel, Ressortleiterin Feuilleton FAZ hat die anschließende Frage- und Informationsrunde moderiert. Ich fand es sehr aufschlussreich, denn so habe ich erfahren, dass Margarethe von Trotta die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann persönlich kennen gelernt hat. Durch sie und Ina Hartwig haben wir noch viele Hintergrundinformationen bekommen. Insgesamt gesehen, war es ein sehr unterhaltsamer Abend, an dem ich viele Eindrücke sammeln konnte.

Und hier das Interview, das ich in meinem Bericht veröffentlichen darf:

„Ich liebe Herausforderungen“ – Fragen an Margarethe von Trotta

Was ist Ihre persönliche Verbindung zu Ingeborg Bachmann und Max Frisch?

Ingeborg Bachmann hat schon sehr früh zu meinen Lieblingsautorinnen gezählt. Ich habe als junge Frau selber Gedichte geschrieben, die ich allerdings nie jemandem gezeigt habe. Und ich habe damit auch sehr bald aufgehört. Später habe ich Ingeborg Bachmann mehrmals in Zusammenhang mit meinen Filmen zitiert, lange, bevor ich wusste, dass sie mir eines Tages auf diese Weise begegnen würde. Als Motto für meinen Film DIE BLEIERNE ZEIT habe ich ihren Satz: „Trauern, das wird, zwischen vielerlei Tun, ein einsames Geschäft“ gewählt, und in meinem Film L´AFRICANA, den ich in Italien gedreht habe, zitiert Samy Frey aus ihrem Gedicht „Erklär mir, Liebe…“. Max Frisch im Gegensatz zu Ingeborg Bachmann war Schullektüre, das erste Stück, das ich von ihm sah, war „Biedermann und die Brandstifter“, also genau das Stück, zu dessen Premiere er Ingeborg Bachmann nach Paris einlädt.

Die Idee, einen Film über Ingeborg Bachmann zu machen, wurde Ihnen von den Produzent*innen von tellfilm und AMOUR FOU zugetragen. Ihre Entscheidung war es, den Fokus auf ihre Beziehung mit Max Frisch zu legen. Was war für Sie interessant? Was wollten Sie erzählen, worum ging es Ihnen?

Die Produzenten haben mir freie Hand gelassen, welche Zeit aus dem Leben Ingeborg Bachmanns ich wählen wollte. Ich habe mich für ihre vier Jahre mit Max Frisch entschieden, weil ich es spannend fand zu ergründen, wie zwei Schriftsteller es miteinander aushalten oder auch nicht.

Sie haben Ingeborg Bachmann einmal persönlich getroffen, in Rom im Jahr 1972. Hat diese Begegnung Einfluss auf das Porträt der Lyrikerin im Film gehabt?

Ja, ich habe sie – vielleicht ein Jahr vor ihrem Tod – zusammen mit Volker Schlöndorff im Haus von Hans Werner Henze getroffen. Sie war damals wohl schon sehr geschwächt, jedenfalls war sie sehr zurückhaltend, und die Unterhaltung fand hauptsächlich zwischen den Männern statt.

Nach Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen und Hannah Arendt stellen Sie erneut eine historische Frauenfigur in den Mittelpunkt eines Ihrer Filme, erstmals eine Künstlerin. Steht Ihnen Ingeborg Bachmann besonders nah? Haben Sie sich auch selbst in der von Ihnen geschaffenen Figur gesehen?

Ich versuche bei jeder Figur, die ich in einem Film beschreibe, eine „correspondance“, im Sinne von Baudelaire, zu finden. Im Gegensatz zu den anderen historischen Personen, war sie mir aber nicht so fremd, zu Beginn… Vom Alter her hätte sie meine ältere Schwester sein können.

Wie haben Sie die Geschichte erarbeitet? Wie sah Ihre Recherche aus? Wie wichtig war Ihnen historische Genauigkeit?

Ich glaube, es ist normal, dass man sich als Drehbuchautor zunächst so viel Lektüre und Material einverleibt, wie nur möglich. Außerdem Menschen befragt, die die jeweiligen Personen noch gekannt haben. Deswegen brauche ich immer einen langen Vorlauf, um mich der Person oder den Personen, die ich beschreiben will, anzunähern. Es bleibt ja doch immer nur eine Annäherung, ich würde nie behaupten wollen, eine Person in all ihren Verästelungen und Widersprüchen ergründen und darstellen zu können.

Der Film ist klug und sehr sensibel in Rückblenden erzählt: Ingeborg Bachmann denkt an ihre Beziehung mit Frisch zurück, während sie mit Adolf Opel unterwegs ist. Wie sind Sie auf diese Struktur gekommen?

In Rückblenden zu erzählen, gibt einem die Möglichkeit auszuwählen, im Rückblick nur die Momente zu beschreiben, die man als wesentlich und symptomatisch empfindet. Es hat mir auch die Möglichkeit eröffnet, in zwei verschiedenen Bewegungen zu erzählen: In die Wüste fährt Ingeborg Bachmann geschwächt, am Ende hat sie das Gefühl, erlöst zu sein. Die Erzählung mit Max Frisch verläuft im Gegenrhythmus. Sie beginnt euphorisch und endet traurig.

Noch während des Drehs war der Film unter dem Titel BACHMANN & FRISCH angekündigt. Warum haben Sie sich schließlich für INGEBORG BACHMANN – REISE IN DIE WÜSTE entschieden?

BACHMANN & FRISCH beschreibt zwar die vier Jahre, die die beiden zusammen gelebt haben, insofern ist er nicht falsch, aber ein wenig plakativ. Der jetzige Titel passt zum Film, so wie ich ihn realisiert habe: Im Zentrum steht Ingeborg Bachmann und ihr Kampf um Unabhängigkeit.

In der Titelrolle haben Sie Vicky Krieps besetzt, als Max Frisch erlebt man Ronald Zehrfeld. Man sieht zunächst mit einer gewissen Zurückhaltung zu, nach dem Film kann man sich niemand anders in diesen Rollen vorstellen. Was zeichnet sie aus, was machte sie zu den idealen Darstellern?

Die beiden Hauptdarsteller waren für mich von Anfang an klar. Vicky Krieps hatte ich in DER SEIDENE FADEN gesehen, Ronald Zehrfeld ist für mich, trotz seiner gewichtigen Erscheinung, einer der sensibelsten Schauspieler Deutschlands. Ich habe zwar auch, um den Schweizern Genüge zu tun, nach einem Schweizer Schauspieler gesucht, aber mich konnte niemand so sehr überzeugen wie eben Ronald. Für Ingeborg Bachmann musste es eine Schauspielerin sein, die aus dem größten Ernst heraus zu einem strahlenden, umwerfenden Lächeln fähig ist. Ich hatte das in mehreren Dokumentaraufnahmen mit Ingeborg Bachmann gesehen. Sie äußerte sich z.B. sehr negativ über Männer; der Journalist, der sie interviewt, ist offensichtlich schockiert, und dann lächelt sie ihr wunderbar strahlendes Lächeln und sagt: „Wussten Sie das nicht?“ Genau dieses überraschende und umwerfende Lächeln habe ich nur bei Vicky Krieps gesehen.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem jungen Schauspieler Tobias Resch als Adolf Opel, der bei Ihnen seine erste, große Rolle spielt?

Es war das reine Glück, diesen jungen Schauspieler gefunden zu haben. Er entspricht nicht nur dem jungen Adolf Opel, so wie er sich selbst in seinen Memoiren beschreibt, sondern bringt Ingeborg Bachmann, d.h. Vicky Krieps, durch seine Präsenz, durch sein Spiel, „zum Leuchten“.

Aufgrund der internationalen Koproduktion mussten Sie in vielen Gewerken mit neuen Gesichtern arbeiten. Wie sind Sie damit umgegangen? Wie war die Dreherfahrung mit vielen Künstlern hinter der Kamera, die Sie noch nicht kannten?

Ja, davor hatte ich besondere Angst, denn ich hatte noch mit keinem einzigen Mitarbeiter zuvor gedreht, wusste also so gar nicht, was auf mich zukam, abgesehen davon, dass ich sie mir habe aussuchen können, aber eben aus den Ländern, die mitfinanziert haben. Es ist zu meiner großen Freude und Erleichterung sehr gut gegangen, man sollte sich vielleicht sogar öfter dieser Challenge aussetzen.

Sie haben in 40 Drehtagen einen Dreh in sechs Ländern bewältigt – und das während Corona! War das nicht ungewöhnlich anstrengend?

Ja, es war anstrengend. Aber ich liebe Herausforderungen, insofern wurde ich während des Drehs immer gesünder und kräftiger.

5 Gedanken zu „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste

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